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Kurzbericht 2018




Friedrich-Ebert-Stiftung in der Russischen Föderation, Moskau
Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt
Konrad-Adenauer-Stiftung in der Russischen Föderation, Moskau
Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, Akademie der Wissenschaften, Moskau

Vom 26. bis 28. April 2018 fand das 21. Schlangenbader Gespräch statt, ein deutsch-russischer Gesprächskreis zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen, der jedes Frühjahr eine große Zahl von Fachleuten aus beiden Ländern zusammenführt. In diesem Jahr stand er unter dem aktuellen Leitthema „Konflikteskalation und kein Ende? Deutsch-Russische Beziehungen nach den Wahlen“ und damit ganz im Zeichen der jüngsten drastischen Verschärfung der Spannungen zwischen Russland und dem Westen, einschließlich Deutschlands.

Auch in diesem Jahr war das Interesse an den Schlangenbader Gesprächen groß, wie mehr als 70 Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Journalismus dokumentieren. Sie hatten Gelegenheit, sich in insgesamt vier Themenblöcken mit der aktuellen Lage auseinanderzusetzen, wobei den Auftakt eine Generaldebatte über den aktuellen Stand der Beziehungen bildete.

Natürlich blieben auch die Schlangenbader Gespräche nicht von den Spannungen verschont, die sich in den letzten Wochen akut zugespitzt haben. Stichworte sind die Skripal-Affaire, der jüngste vermutete Chemiewaffeneinsatz in Syrien sowie die US-Sanktionspolitik. Wer jedoch erwartet hat, dass sich diese Spannungen wie im Zeichen der Ukraine-Krise 2014 und 2015 nahtlos auf das Diskussionsklima übertragen würden, sah sich getäuscht. Zwar standen sich auch diesmal die beiden schon vertrauten Erzählungen gegenüber, mit ihrer je eigenen Logik und nahezu ohne Berührungspunkte: Die russischen Vertreter beklagten nahezu übereinstimmend die fortgesetzte Marginalisierung ihres Landes durch den Westen, die deutschen, dass der einst gemeinsam eingeschlagene Weg trotz bester Absichten im Westen von Russland weder angemessen gewürdigt, noch weiter verfolgt werde. Zugleich aber bemühten sich nahezu alle Diskussionsteilnehmer mit Nachdruck, nicht nur diese beiden Perspektiven der Gegenseite plausibel zu machen, sondern auch konkrete gemeinsame Anknüpfungspunkte zu finden, die eine Überwindung des tiefen Grabens, zumindest aber eine Eindämmung der aktuellen Konfliktdynamik, versprechen.

Allerdings blieb der Ertrag hier begrenzt. Die Wiederherstellung und Vertiefung der Kommunikation über sicherheits- und militärpolitische Fragen wurde von beiden Seiten genannt - von der Vermeidung militärischer Zwischenfälle über die Wiedereinsetzung des NATO-Russlandrats bis hin zum „strukturierten Dialog“ im Rahmen der OSZE sowie einer Verbesserung der Transparenz bei militärischen Übungen mit dem Ziel, deren Zahl und Größe zu reduzieren. In gleicher Weise wurde auf die Vertiefung der zwischengesellschaftlichen und den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen verwiesen. Ersteres würde von einer Abschaffung der Visapflicht profitieren, auch wenn namentlich in der deutschen Gesellschaft das Interesse an Russland eher ab- als zunimmt. Letzteres findet eine breite Resonanz in der deutschen Wirtschaft, die nach Feststellung der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer auch im Zeichen der neuesten Sanktionen überwiegend an ihrem Engagement in Russland festhält.

In diesem Zusammenhang wurden auch die neuen Akzente in der Rhetorik des neuen deutschen Außenministers angesprochen, die eine deutlich größere Distanz gegenüber Russland signalisieren, als dies bei seinen Vorgängern der Fall war. Die Gründe sind vielfältig: Frustration über das russische Verhalten in den aktuellen Konflikten, Solidaritätsbekundungen innerhalb der westlichen Allianz, vor allem aber der Generationswechsel beim politischen Personal in Berlin, dem die unmittelbare Erfahrung des Kalten Kriegs und dessen Überwindung ebenso fehlt wie erst Recht die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs.

Die westliche Sanktionspolitik, das Thema eines separaten Panels, wurde erwartungsgemäß unter-schiedlich beurteilt. Allerdings machten die russischen Teilnehmer deutlich, dass sich die russische Wirtschaft trotz der Einschnitte den neuen Bedingungen angepasst habe. Es sei daher nicht absehbar, dass die mit den Sanktionen verknüpften politischen Ziele tatsächlich auf diese Weise zu erreichen sind. Hinzu kommt, so die kritische Bewertung nahezu aller Teilnehmer, dass die US-Sanktionspolitik nicht nur immer ausgreifender und aggressiver wird, sondern sich auch nicht mehr der Mühe unterzieht, konkrete politische Ziele zu formulieren. Sanktioniert wird, so bei der jüngsten Verschärfung am 6. April 2018, das „bösartige Verhalten“ und damit Russland schlechthin. Das aber weist beträchtliche Ähnlichkeiten mit der CoCom-Praxis im Kalten Krieg auf; und diese unterstrich den Antagonismus und die prinzipielle Abgrenzung der beiden Lager jener Zeit.

Es überwiegt die Konfliktdynamik, die sich unter anderem darin manifestiert, dass die nukleare Abschreckung, einschließlich nuklearer Kriegführungsoptionen, Wiederauferstehung feiert. Sowohl die Nuclear Posture Review der USA vom Februar 2018 als auch die Präsentation alt-neuer Waffensysteme durch den russischen Präsidenten am 1. März des Jahres legen davon plastisch Zeugnis ab. All dies ist aus dem Kalten Krieg vertraut, und vertraut sind damit auch die Gefahren, die mit einer schrankenlosen Nuklearrüstung einhergehen. Die Schranken jedoch, die den Atomwaffen am Ausgang des Kalten Krieges vertraglich auferlegt wurden, sind akut gefährdet. Das gilt sowohl für den INF-Vertrag als auch für die strategische Rüstungskontrolle, wo der aktuell gültige NEW Start-Vertrag 2021 ausläuft. Die Sicherung der strategischen Stabilität, darin waren sich alle Teilnehmer einig, ist angesichts der aktuellen Rüstungsdynamik ein Gebot der Stunde. Die politischen Spannungen jedoch stehen dem aktuell massiv im Wege.

Das schlägt sich selbst in der populären westlichen Formel nieder, Prinzipienfestigkeit mit Dialog zu verbinden. Dem wurde vereinzelt entgegen gehalten, dass dieser Dialog nur dann Bestand haben könne, wenn er Erträge zeitige. Das allerdings wirft die – unbeantwortete - Frage auf, was denn die Alternative zum Dialog wäre. Die gegenwärtig beidseits populäre Lautsprecherpolitik jedenfalls ist alles andere als zielführend.

Ein Tagungsbericht zur Konferenz ist in der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZfAS) erschienen:

Asschenfeldt, Friedrich/Schild, Martin (2018): Die Krise als Dauerzustand? Ein Bericht über das 21. deutsch-russische Schlangenbader Gespräch vom 26. bis 28. April 2018, online verfügbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s12399-018-0710-0.